Bericht aus Berlin zum Beschluss der Wahlrechtsreform

Ihre Bundestagsabgeordnete Ye-One Rhie (SPD) berichtet aus Berlin

In der letzten Woche hat der Bundestag die Reform des Wahlrechts zur Bundestagswahl beschlossen. Seit Januar wurde die Reform in einzelnen Punkten verändert und weiterentwickelt.

Es bleibt dabei, dass wir mit der Reform den Bundestag verkleinern. Anstatt der Regelgröße von 598 Abgeordneten hat der Bundestag seit der letzten Wahl 736 Abgeordnete. Der Grund dafür liegt in dem Zusammenspiel vom Überhangs- und Ausgleichmandaten.

Es bleibt bei dem wichtigsten Unterschied zum bisherigen Wahlrecht: 

Ein:e Kandidat:in in einem Wahlkreis ist nur dann gewählt, wenn der im Wahlkreis gewonnene Sitz durch das Zweitstimmenergebnis der Partei gedeckt ist. Das heißt, eine Partei kann in den Wahlkreisen nicht mehr Sitze gewinnen als ihr durch ihr Zweitstimmenergebnis zustehen, wie es bisher der Fall ist. Dadurch werden Überhang- und Ausgleichsmandate ausgeschlossen.

Das kann dazu führen, dass einzelne Wahlkreise unbesetzt sind, also nicht durch Abgeordnete im Bundestag vertreten sind. Wir haben die ursprüngliche Reform an einzelnen Punkten überarbeitet, weil wir (u.a.) diese Gefahr so gering wie möglich halten wollen.
Hier die wichtigsten Änderungen:

1) Wir erhöhen die Regelgröße des Bundestags auf 630 Abgeordnete. Durch diese moderate Erhöhung von 598 auf 630 Abgeordnete wird es unwahrscheinlicher, dass Wahlkreise unbesetzt bleiben.

2) Wir behalten die ursprüngliche Bezeichnung der Stimmen bei. Die beiden Stimmen heißen auch in Zukunft Erst- und Zweitstimme (und nicht Haupt- und Wahlkreisstimme wie im ursprünglichen Entwurf vorgesehen). Mit der Erststimme wird weiterhin über die Kandidat:innen in den Wahlkreisen abgestimmt und mit der Zweitstimme die Landeslisten gewählt.


3) Wir streichen die Grundmandatsklausel. Die Klausel führt bisher dazu, dass eine Partei in den Bundestag einzieht, wenn sie drei Direktmandate gewonnen hat, aber ihr Zweitstimmenergebnis nicht über der 5 Prozent-Hürde liegt. In unseren Beratungen hat sich gezeigt, dass die Grundmandatsklausel heute schon ein Element ist, das weder verfassungs- noch wahlrechtlich begründbar ist. Sie stellt einen Systembruch dar, da sie den falschen Eindruck einer Personenwahl vermittelt, obwohl die Bundestagswahl eine Verhältniswahl ist. Im neuen Wahlsystem fällt dies noch schwerer ins Gewicht. Unsere Lösung ist daher eine klare und einfache 5 Prozent-Hürde für alle Listen und Parteien mit Ausnahme von Einzelbewerber:innen, die im Wahlkreis ohne Parteibindung erfolgreich sind. Damit stärken wir den Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl.
Mit der Wahlrechtsreform haben wir heute ein Versprechen des Koalitionsvertrages eingelöst.

Das Wahlrecht ist die Betriebsanleitung für unsere Demokratie. Seine Bedeutung kann nicht überschätzt werden. Deswegen haben wir in den letzten Wochen intensiv über die Wahlrechtsreform beraten, auch unter Beteiligung zahlreicher Fachleute. Ihre Anregungen und Kritik haben wir gehört und unseren ursprünglichen Vorschlag überarbeitet. Auch war es uns wichtig, die Reform gemeinsam mit der Opposition zu beschließen, was aber leider nicht möglich war. Wir haben die Reform deswegen heute dennoch beschlossen, weil wir das Versprechen, das wir den Wähler:innen gegeben haben, einhalten wollen.
Natürlich werden auch die Ampel-Parteien nach der Reform weniger Abgeordnete haben als bisher. Aber wir beweisen: Die Politik kann eine Reform verabschieden, die unmittelbare Nachteile für Politiker:innen selbst bedeutet. Wir setzen damit ein wichtiges Zeichen gegen die um sich greifende Politikverdrossenheit. Diese Wahlrechtsreform stärkt die Legitimität des Parlaments.
Viele Grüße und bis bald

Ye-One Rhie